[1] Propst, Dekan, Senior und Kapitel des Allerheiligenstifts zu Wittenberg teilen Kf. Friedrich mit, dass sie sein Schreiben, ihren Archidiakon Andreas Karlstadt betreffend, auf ihrer Versammlung am 29. April mit Karlstadt besprochen haben. Dieser hat ihnen eine schriftliche Antwort übergeben, die sie dem Kf. mitschicken. [2] Darüber hinaus erfolgten Gespräche mit Karlstadt und den anderen Stiftsherren, die in das Stift inkorporierte Lehen zu verleihen haben. Die Stiftsherren haben die kfl. Statuten so verstanden, dass sie eingewilligt hätten, dass jeder Stiftsherr seinen Kandidaten für das von ihm zu vergebende Lehen dem Kf. nominieren soll. Sie haben dieser Entfremdung (alienation) des Patronatsrechtes zur Vermeidung von Ungnade zwar zugestimmt, sind jedoch nach genauerem Überlegen zu der Erkenntnis gekommen, dass dieses Vorgehen nicht rechtmäßig ist, ihr Gewissen beschwert und der Kirche sowie ihren Nachfolgern schadet. Das geistliche Recht gebietet, dass jeder eidlich verpflichtet ist, seine Dignitäten und Lehen nicht zu schwächen, sondern dasjenige, was diesen widerrechtlich entzogen wird, zurückzugeben. [3] Karlstadt und die anderen Stiftsherren hoffen und bitten, dass der Kf. nicht darüber verärgert ist, dass sie auf der Einhaltung ihrer Rechte bestehen. Zudem bitten Propst, Dekan, Senior und Kapitel des Allerheiligenstifts, dass der Kf. ihnen gegenüber keine Ungnade zeigt, wenn sie Karlstadt und die anderen nicht zurechtweisen, da dies nicht rechtmäßig wäre. [4] Hinsichtlich der Pfarrkirche in Wittenberg berufen sie sich auf die päpstliche Bulle, die die Kirche mit ihren Klerikern von der bfl. Herrschaft und Jurisdiktion befreit hat. In der Bulle wurde festgelegt, wer die Pfarrstellen in der Kirche besetzen darf und wie dies erfolgen soll. Wenn sie von den Bestimmungen abgehen, verlieren sie die Exemtion und ihre Privilegien. Da die Einsetzung in diese Ämter nach gemeinem Recht und Herkommen dem Bf. von Brandenburg zusteht, dürfen weder das Kapitel noch der Propst oder Dekan jemanden für diese Pfarrei dauerhaft präsentieren. Andernfalls besteht die Gefahr, dass der Bf. von Brandenburg ihnen ihre Freiheiten und die Exemtion entzieht, was er ständig zum Nachteil der Pfarrei und ihrer Kleriker vorhat. Der Kf. soll dies bedenken. Sie bitten Friedrich jedoch um die Erlaubnis, wenn sie einen geeigneten Kandidaten finden, diesem die Pfarrei mit ihrem Einkommen lebenslang verleihen (arendiren) zu dürfen, damit diese in ihren Händen bleibt, beim Tod des Inhabers nicht vakant wird und keine päpstlichen Günstlinge (curtisan) die Stelle beanspruchen können. Auf diesem Weg kann die Pfarrei laut der päpstlichen Bulle beim Allerheiligenstift bleiben und samt ihren Klerikern die Freiheiten und Exemtion bewahren. Sie bitten Kf. Friedrich, dies gnädig in Betracht zu ziehen. [5] Diejenigen Stiftsherren, die Kapläne für das Lesen der wöchentlichen Messe besolden, haben wegen der dreimal wöchentlich geforderten Messen große Probleme. Ihr Einkommen deckt die Unkosten für die Kapläne nicht, zusätzlich sind sie mit Lehrverpflichtungen an der Universität beschwert. Daher sollten sie nicht so viele Messen lesen müssen wie diejenigen, die keine Kapläne unterhalten. Der Propst [Henning Göde], der täglich Vorlesungen hält und mit weiteren kirchlichen und universitären Anliegen beschäftigt ist, bestätigt dieses Problem [vgl. Nr. 550]. Auch er lehnt es ab, wöchentlich drei Messen zu halten. [6] Was die Jurisdiktion angeht, können die Stiftsherren aus beiden angeführten Bullen nicht entnehmen, dass diese und andere Rechte dem Propst genommen und dem Dekan zugeordnet werden. Sie müssen daher die bisherigen Verhältnisse beibehalten, so lange, bis sie von Rechts wegen anderweitig belehrt werden. [7] Um die Ungnade des Kf. zu vermeiden, wollen sie jedoch die übrigen, nicht umstrittenen Artikel der Statuten wie vereinbart nun endlich vollziehen. Sie teilen Kf. Friedrich mit, dass es nötig ist, sie in lateinischer Sprache zu verfassen.
Zitierempfehlung:
Nr. 552. In: Briefe und Akten zur Kirchenpolitik Friedrichs des Weisen und Johanns des Beständigen 1513 bis 1532. Reformation im Kontext frühneuzeitlicher Staatswerdung. Online-Edition: https://bakfj.saw-leipzig.de/print/552 [Datum des Zugriffs: 23.05.2025]
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