Kabinettstücke

Nach und nach veröffentlichen wir hier ausgewählte Dokumente von besonderer Bedeutung aus unserer laufenden Arbeit. Geboten wird neben einer kurzen Einleitung zum Dokument ein Digitalisat der Archivalie sowie eine vollständige Transkription des Quellentexts.

2) Klosteraustritte und Heiraten

Reg. Kk 783, fol. 4r

Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv

Reg. Kk 783, fol. 4r

Reg. Kk 783, fol. 4v

Reg. Kk 783, fol. 6v

In seinen Schriften hatte sich der Wittenberger Theologe Martin Luther kritisch mit der Gültigkeit der Ordensgelübde sowie dem Zölibatszwang der Geistlichen auseinandergesetzt. In der Folge war es auch im Kurfürstentum Sachsen seit 1521 zu den ersten Eheschließungen von Priestern und Klosteraustritten von Mönchen gekommen, gegen welche die Landesherrschaft allerdings nicht vorging und die sich darum bald häuften. Wie das hier vorgestellte Schreiben Wolfgang Reißenbuschs, des Präzeptors des Antoniterklosters Lichtenberg, an Kurfürst Friedrich vom 27. Mai 1524 zeigt, hatten die Gedanken Luthers auch Einzug in die Lichtenberger Niederlassung der Antoniter gehalten und sorgten innerhalb des Konvents für Unruhe. Wie Reißenbusch in seinem Schreiben ausführt, waren mehrere Brüder im Begriff aus dem Kloster auszutreten und eine Ehe einzugehen, worüber sie ihren Präzeptor informiert hatten. Die Mitteilung an den Kurfürsten bietet einen seltenen Einblick in die Innenperspektive eines von den reformatorischen Veränderungen erfassten Ordenshauses im ernestinischen Sachsen.

Der Aussteller Wolfgang Reißenbusch stand der neuen Lehre zwar aufgeschlossen gegenüber und pflegte auch persönlich Umgang mit Luther, sah die Entwicklungen in seinem eigenen Ordenshaus aber durchaus kritisch. Der gegenüber dem Landesherrn geäußerte Unmut über den ausgetretenen Bruder Severin Schultz macht deutlich, dass Reißenbusch dessen Vorgehen missbilligte und für überstürzt hielt. Reißenbusch störte sich an der Missachtung seiner Autorität, die er für den Erhalt der Ordnung innerhalb der ihm unterstehenden Gemeinschaft für notwendig erachtete. Wie weitere Schreiben aus dem Umfeld der Lichtenberger Antoniterpräzeptorei, die in Band 3 der Edition erscheinen werden, zeigen, hatte der Präzeptor große Mühe, die Brüder in den Häusern in Lichtenberg und Eicha zusammenzuhalten sowie die noch verbliebenen Ordensmänner angemessen zu versorgen. Die Zukunft der Antoniterpräzeptorei war ungewiss, was Reißenbusch große Sorgen bereitete, wie die regelmäßigen Mitteilungen an den Kurfürsten verdeutlichen. Die Angelegenheit zeigt auch, dass die Auseinandersetzung mit Luthers Ordenskritik gerade für Personen wie den Präzeptor nicht allein zwischen einer persönlichen Befürwortung oder Ablehnung verlief, sondern komplexere Implikationen barg, die auch das Auseinanderbrechen hergebrachter Ordnungs- und Lebenszusammenhänge und damit das Schicksal zahlreicher weiterer Personen betrafen. Dass Wolfgang Reißenbusch gerade Kurfürst Friedrich detailliert über die Vorgänge in seinem Umfeld unterrichtete, ist zugleich ein Hinweis darauf, welche Bedeutung der Geistliche der weltlichen Obrigkeit für die künftigen Geschicke seines Ordenshauses zumaß.

Transkription:

[fol. 4r] Durchlauchtigster hochgeborner churfurst etc. Gnedigster herre, nachdem e. k. g. unterweilen seltzame geschichte zculeßen unbeschweret, so wollen e. k. g. aus inbewarten copien gnediglich vormergken, was er Severin, pfarrer vorweser zcu Prettin, etwan mein mitbruder, und sonder allen zcweifell nit aus seinem kopff ader eigenem getrechte, heut dato ungeverlichen vor zcwuen stunden an mich geschrieben, auch was ich ime darauff geantwurt habe etc.

Dergleichen vor unvielen tagen hatt sich gedachter er Severins capellan mit einer witwen zcu Prettin auch vorlobt, wie wol es ein betaget, ungestalt weib sein soll, aber wie ich berichtet, des pfarrers kabell soll besser und sein braut ein junges medlein, auch eins burgers kinde doselben zcu Prettin sein.

So hore ich auch, wie der bischoff ader pfarner zcu Betha, auch mein mitbruder, die person, so er bei sich heldet, vor sein eheweib geschulten und gehalten haben wolle. [fol. 4v] Dergleichen bruder habe ich meher, die sonderlich des abends freyhen und weiber nemen wollen. Gott helffe uns allen. Gnedigster herre, zcu Prettin heldet man es vor gewiss, das doctor Martinus Luther morgen dohin kommen soll. Ist es warh, so wirdet er villeicht zcu mir eintziehen.

Welchs alles e. k. g. ich allein aus undertenigem willen hiemit will angetzeigt haben. Und thue hochgemelten e. k. g. mich darneben in aller demuth bevelhen. Datum freitags nach Corporis Christi spat gegen dem abend anno etc. XXIIII.

E. k. g.

underteniger diener etc.

preceptor

[fol. 6v] 1524. [Dem dur]chlauchtigsten hochgebornen [fursten un]d hern, hern Friderichen, [hertzogen zu] Sachssen, des hai[ligen romi]schen reichs ertz[marschalk] und churfursten etc., [landgraffen] in Duringen [und m]arggraffen zu Meissen, [mein]em gnten. herrn. [Seiner] churf. g. zuhannden.

Preceptor, was er Severin an in geschribn und was er im zu antwurt geben. Doctor Martinus sol morgen gein Prettin komen.

Standort:

Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. Kk 783, fol. 4rv+6v (Ausfertigung, zu eigenen Händen)

Zum Dokument auf unserer Website:

Präzeptor [Wolfgang Reißenbusch] des Antoniterklosters Lichtenberg an Kf. Friedrich

1) Unruhe im Allerheiligenstift

Reg.O 196, fol. 9r

Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv

Reg. O 196, fol. 9r

Reg. O 196, fol. 9v

Reg. O 196, fol. 13v

Im März 1523 brachte eine Aufforderung Martin Luthers neue Unruhe in das durch den reformatorischen Umbruch ohnehin schon erschütterte Wittenberger Allerheiligenstift. Luther ermahnte die Stiftsherren, einen gemeinsamen Beschluss zur Abschaffung der Messen zu fassen. Ihm schloss sich der Propst des Stiftes Justus Jonas an, welcher die Forderungen Luthers dem Kapitel vortrug und in einer Predigt die liturgischen Gesänge, Seelämter und andere Stiftungen verdammte. Bereits in den Jahren 1521 und 1522 war es in Wittenberg zu heftigen Diskussionen über das Messehalten nach römischem Gebrauch und zu Änderungen der Messe bei den Augustinereremiten und in der Stadtpfarrkirche gekommen. Alle diese Diskussionen und Auseinandersetzungen gingen an Kurfürst Friedrich nicht spurlos vorüber, wie sich in dem hier vorgestellten Schreiben des Kurfürsten an Hieronymus Schurff und Johann Schwertfeger vom 29. Juni 1523 zeigt. Anlass des Schreibens war die Neubesetzung von drei im Laufe des Jahres freigewordenen Präbenden mit neuen Stiftsherren.

Die Mitglieder der Universität und des Kapitels, denen das Nominationsrecht zukam, schlugen Johann Gunckel und Hermann Tulich als Kanoniker sowie Johannes Reuber als Scholaster dem Kurfürsten vor, mit der Bitte, die Kandidaten zu präsentieren. Dies war ein üblicher, eigentlich rein formaler Vorgang, zu dem Kurfürst Friedrich nun jedoch den Ratschlag der beiden Professoren an der Juristenfakultät der Wittenberger Universität einholte. In einem weiteren Schreiben wandte er sich zudem an seine Räte Wolfgang Reißenbusch, Günther von Bünau, Hans von Minckwitz und Hieronymus Rudloff. Das Schreiben an Schurff und Schwertfeger verdeutlicht die Umbruchstimmung dieser Jahre und zeigt nicht zuletzt auch eine gewisse Unsicherheit Kurfürst Friedrichs hinsichtlich seines Umgangs mit den religiösen Neuerungen, für die er eine Klärung durch das geplante Konzil erhoffte. Mit Blick auf die Neubesetzungen wollte der Kurfürst keine falsche Entscheidung treffen, mit der vielleicht die Konflikte am Stift weiter angeheizt würden. Die angeschriebenen Räte antworteten wenige Tage später. Ihre Antworten sowie die anderen in diesem Kontext stehenden Schreiben werden in Band 3 unserer Edition präsentiert.

Transkription:

[fol. 9r] Von gots gnaden Friderich, hertzog zu Sachssen unnd churfurst etc.

Hochgelarten lieben getreuen unnd rete, wir schreiben itzt den andern unnsern reten unnd euch hirbey von wegen der zwaier prebendn und scolastrie, so itzt in unnserm stifft zu Witenberg vaciren, darzu uns dy vom capitl und universitet drey personen, dieselbn zu presentiren, ernennt, wie ir daraus neben den andern retten vernemen werdt. Unnd wellen euch gnediger meynung nit bergen, das wir bey unns nit wol entschliessen konnen, was darynnen zutun, dan ir wist, das man itzt fur[derlich] predigt unnd lernet, das dy meß nichts sein sol. Soltn wir dan die drey personen, dy uns itzt nominiret, presenti[ren], so wolt villeicht gesagt werdn, wir wusten, das dy meß nichts wer und gebn doch ursach darzu, das dieselbn musten briester werdn, wiewol dy andern, so itzt ufm stifft sein, als wir bericht, den merern tail auch nit mess lesen. So woltn wir auch nit gern, das in unser stiftkirchn dardurch [no]ch zur zeit, weil ir wist, das diese und andere sachn uf das zukunftig concilium zuhandln vorgenomen solt, ain zuruttung gemacht werdn. Derhalbn wir in unser gewissen etwas beschwerung tragn. Und [fol. 9v] weil euch dy ernantn drey personen bekannt, ir auch sonder zweivel bey der wal gewest, begern wir, ir wollet mit den andern unsrn retten, auch fur euch selbs, mit vleis bewegn, was euers vermeinens in dem gut zutun sey, dan wir habn dem capitel und universitet geschriben, das wir in weiter an[twort] gebn wolten. Daran erzaigt ir uns zugefallen. Datum Lochau, am tag Petri und Pauli anno etc. XXIII.

[fol. 13v] Anno 23. An doctor Jheronimus und Schwertfeger, etlicher prebenden halbn, so das capitl und universitet zu Witenberg zu canoniken nominirt.

Standort:

Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. O 196, fol. 9rv+13v (Konzept, beschädigt mit Textverlust)

Zum Dokument auf unserer Website:

Kf. Friedrich an Hieronymus [Schurff] und [Johann] Schwertfeger