Kabinettstücke
Nach und nach veröffentlichen wir hier ausgewählte Dokumente von besonderer Bedeutung aus unserer laufenden Arbeit. Geboten wird neben einer kurzen Einleitung zum Dokument ein Digitalisat der Archivalie sowie eine vollständige Transkription des Quellentexts.
3) Doktor Lauter
Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv
Am 20. Februar 1523 schrieb Herzog Johann einen Brief an seinen Bruder Kurfürst Friedrich. Darin teilte er seine Überlegungen dazu mit, was sie beide ihrem albertinischen Vetter Herzog Georg von Sachsen antworten sollten, der um Unterstützung gegen Martin Luther bat. Dieser hatte den Albertiner zuvor in seinem Missive an Hartmut von Kronberg vom Frühjahr 1522 unter anderem als „Wasserblase“ beschimpft und den Vorwurf erhoben, Georg habe sich vom Evangelium abgewendet (vgl. 17. Januar 1523, Hz. Georg von Sachsen an Kf. Friedrich). Zweimal bezeichnete Herzog Johann den Reformator in seinem Schreiben als „Doctor Lauter“ [Hervorhebung im Quellentext unten durch den Bearbeiter]. Diese Namensform ist in dem von Johanns Kanzler Gregor Brück aufgesetzten Konzept noch nicht enthalten, sondern findet sich erst in der durch den Herzog eigenhändig unterzeichneten Kanzleiausfertigung. Was auf den ersten Blick als eine Schreibvariante erscheint, könnte durchaus auch Ausdruck der Sympathie für Luther sein. Bereits aus dem Jahr 1519 gibt es erste Belege, dass Unterstützer der Lehre Luthers – unter anderem auch der genannte Hartmut von Kronberg – den Namen des Reformators etymologisch vom Adjektiv „lauter“, im Sinne von rein, klar oder tadellos, herleiteten.
Transkription:
[fol. 39r] Bruderliche lieb mit ganntzen treuen allzceit zuvor. Hochgebornner furst, lieber bruder unnd gefatter, nachdem unns euer lieb durch unnsern cantzler etzliche copien zugeschickt, welcher mas unnser vetter doctor Martinus halben an e. l. geschrieben unnd e. l. radt gebeten, dieselb ime auch dorauff antwurt gegeben unnd wieder geschrieben unnd uns haben bitten lassen, dieweil unnser vetter e. l. letzlich nachgelassen, radts darinnen zugebrauchen, das wir mit etlichen unnsern reten davon reden unnd e. l. unnser bedencken mitteiln wolten, was unnserm vettern durch e. l. zeraten sein mocht. Als haben wir Friderichen Thun unnd Wolffen von Weissenbach, rittere, zu unns anher erfordern lassen unnd mit denselbigen sambt andern davon geredt, aber befunden, das der handel fast weitleufftig zugetragen unnd unns zuvil unnd gros ist. Dan wiewol unser vetter in seiner lieb andern schrifft, so dieselb an e. l. gethan, anzcaigt, das er noch zur zceit nur rechtes wider Martinum zugebrauchen gedenck unnd derhalb in der ersten schrifft die bit dorauff stellet, das ime e. l. raten wol, dieweil sich doctor Martinus Luter zu recht erbeut, wie unnd wo er inen zu recht darumb anfertigen solle, wie er dan an unns fast auch dergleichen geschrieben, so magk doch villeicht seiner lieb [fol. 39v] meynung sein, in dem das er bit, das sich e. l. gegen dem doctor dermas bezcaigen wolle, damit sein lieb und meniglich ermessen, das e. l. ungefellig, inen zuschmehen, auch das ime e. l. nochmals wolle beraten sein, wie er vor sich unnd das gantze haus zu Sachssen seiner eren noturfft erstatung von ime als einem verbanten, der sich zu Wittenberg enthelt, bekomen muge, den handel auff euer lieb zuschieben, das sich doch, wie meniglich zu bedencken hat, nit wol schicken wolt. Dan die sach, wie ime dan e. l. offt angezcaigt, wirdet von seiner lieb darfur geachtet, als ob dieselb e. l. mitbetreff, so ist er e. l. unnd unns auffs negst verwant, zudem das e. l. unnd wir seiner lieb wider den Martinum in der sachen raten sollen. Derwegen e. l. nit unverweislich sein wolt, so dieselb in irer aignen ader des vettern sachen darinnen e. l. geraten, erkennen oder ichtes gegen seiner lieb widerparten furnehmen solten, so wolt auch unnserm vettern nit wol gezcimen anders dem Martinum nach vermugen der bebstlichen recht unnd vor seinem als eins geistlichen mannes ordentlichem richter furzunehmen, dieweil in angezcaigtem rechten verboten, die geweiten unnd geistlichen, ob sie es auch schon verwilligen, in weltliche gericht zuzcihen. Aber dieweil hinwider der vicarius des ordens, so sich itzo zu Aldenburgk entheldet, unnserm vettern villeicht [fol. 40r] auch nit leiderlich, unnd dan dem doctor beschwerlich unnd unsicher sein wolt, vor dem ordinario als dem bischoff von Brandenburgk zugesteen, so konnen wir nit bedencken, was wol zethun sein wolt, allein ob diß furzuschlagen wer, dieweil unnser vetter in seinem schreyben unter anderm angezcaigt, das sich doctor Luter zu recht erboten unnd das sein lieb rechtens gegen ime zugebrauchen gedecht, das es e. l. darfur achten, es solt nit ungut auch der sachen noturfft sein nach aller irer gelegenhait, dieweil dieselb so beschwerlich ere, seell unnd gut gerurt belangendt, das die durch erliche, tapffere unnd der dinge, zuvorderst was die seel anginge, verstendige leut gehort wurde unnd das etwo ein unverdechtiger graff ader zcwen sambt andern unverdechtigen vom adel auch etzlichen gelerten durch sein lieb unnd doctor Lautern, dieweil er sich zu recht erboten, angezcaigt und namhafftig wurden, die uff einen benanten tagk an ein gelegen ort zusamen komen unnd das alsdan sein lieb derselbigen beschwerung, darumb sie den doctor anzufertigen bedacht, furtrugen und widerumb des Lauters antwurt anhoren liese, was ine zu dem schreiben verursacht, ader wie ers gemeint, ob villeicht die nidergesatzten doraus wege und mittel schepffen wurden, dardurch die sach zu seiner lieb [fol. 40v] gelimpff zuvortragen unnd zurichten. Ob aber solchs nit sein wolt, das dieselbigen weysung dornach darinnen theten etc. Dan dieweil unnser vetter die sach so hoch anzceugt unnd villeicht unfreuntlich vermercken wolt, so ime geraten wurde, die sach auff andere wege komen zulassen, so konnen wir warlich nit bedencken, wie sein lieb derselben beschwerde wider den doctor statlicher mocht vertragen lassen unnd dieselben gehort werden, dan obangezcaigter gestalt, dieweil er sonder zcweifel die universitet zu Witenberg verdechtig heldet, seine lieb hette dan fur den armen man fur dem regiment oder camergericht furzunehmen. Darumb wolle e. l. den besten radt bey ir selbst finden, als sie dan got lob wol zethun wissen unnd solchs unnsernthalb in bedacht, wie der handel so seltzam, nit unfreuntlich vermercken, unns auch iren rat mitteiln, was wir unserm vettern auff das ansuchen, so lauts beygelegter copien bey unns gescheen, auch zu antwurt geben solten, auff das wir myt e. l. von gedachtem unnserm vettern einhelliger antwurt vermerckt werden. Das wollen wir umb e. l. alzceit bruderlich unnd freuntlich widerumb verdinen. Datum zu Weymar am freytag nach Esto michi anno domini XVc XXIII
Johans
[fol. 38r] A. d. 23.
Dem hochgebornnen fursten, herrn Friderichen, hertzogen zu Sachssen, des heyligen romischen reichs ertzmarschalck, churfursten, lantgraven in Duringen unnd marggraven zu Meyssen, unnserm lieben brudern unnd gefattern.
Zu seiner lieb aigen handen.
Hertzog Johansen bedencken, wie hertzog Jorg sol geraten werden.
Standort:
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. N 33, fol. 38r–40v (Ausfertigung, zu eigenen Händen)
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2) Klosteraustritte und Heiraten
Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv
In seinen Schriften hatte sich der Wittenberger Theologe Martin Luther kritisch mit der Gültigkeit der Ordensgelübde sowie dem Zölibatszwang der Geistlichen auseinandergesetzt. In der Folge war es auch im Kurfürstentum Sachsen seit 1521 zu den ersten Eheschließungen von Priestern und Klosteraustritten von Mönchen gekommen, gegen welche die Landesherrschaft allerdings nicht vorging und die sich darum bald häuften. Wie das hier vorgestellte Schreiben Wolfgang Reißenbuschs, des Präzeptors des Antoniterklosters Lichtenberg, an Kurfürst Friedrich vom 27. Mai 1524 zeigt, hatten die Gedanken Luthers auch Einzug in die Lichtenberger Niederlassung der Antoniter gehalten und sorgten innerhalb des Konvents für Unruhe. Wie Reißenbusch in seinem Schreiben ausführt, waren mehrere Brüder im Begriff aus dem Kloster auszutreten und eine Ehe einzugehen, worüber sie ihren Präzeptor informiert hatten. Die Mitteilung an den Kurfürsten bietet einen seltenen Einblick in die Innenperspektive eines von den reformatorischen Veränderungen erfassten Ordenshauses im ernestinischen Sachsen.
Transkription:
[fol. 4r] Durchlauchtigster hochgeborner churfurst etc. Gnedigster herre, nachdem e. k. g. unterweilen seltzame geschichte zculeßen unbeschweret, so wollen e. k. g. aus inbewarten copien gnediglich vormergken, was er Severin, pfarrer vorweser zcu Prettin, etwan mein mitbruder, und sonder allen zcweifell nit aus seinem kopff ader eigenem getrechte, heut dato ungeverlichen vor zcwuen stunden an mich geschrieben, auch was ich ime darauff geantwurt habe etc.
Dergleichen vor unvielen tagen hatt sich gedachter er Severins capellan mit einer witwen zcu Prettin auch vorlobt, wie wol es ein betaget, ungestalt weib sein soll, aber wie ich berichtet, des pfarrers kabell soll besser und sein braut ein junges medlein, auch eins burgers kinde doselben zcu Prettin sein.
So hore ich auch, wie der bischoff ader pfarner zcu Betha, auch mein mitbruder, die person, so er bei sich heldet, vor sein eheweib geschulten und gehalten haben wolle. [fol. 4v] Dergleichen bruder habe ich meher, die sonderlich des abends freyhen und weiber nemen wollen. Gott helffe uns allen. Gnedigster herre, zcu Prettin heldet man es vor gewiss, das doctor Martinus Luther morgen dohin kommen soll. Ist es warh, so wirdet er villeicht zcu mir eintziehen.
Welchs alles e. k. g. ich allein aus undertenigem willen hiemit will angetzeigt haben. Und thue hochgemelten e. k. g. mich darneben in aller demuth bevelhen. Datum freitags nach Corporis Christi spat gegen dem abend anno etc. XXIIII.
E. k. g.
underteniger diener etc.
preceptor
[fol. 6v] 1524. [Dem dur]chlauchtigsten hochgebornen [fursten un]d hern, hern Friderichen, [hertzogen zu] Sachssen, des hai[ligen romi]schen reichs ertz[marschalk] und churfursten etc., [landgraffen] in Duringen [und m]arggraffen zu Meissen, [mein]em gnten. herrn. [Seiner] churf. g. zuhannden.
Preceptor, was er Severin an in geschribn und was er im zu antwurt geben. Doctor Martinus sol morgen gein Prettin komen.
Standort:
Landesarchiv Thüringen – Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. Kk 783, fol. 4rv+6v (Ausfertigung, zu eigenen Händen)
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Präzeptor [Wolfgang Reißenbusch] des Antoniterklosters Lichtenberg an Kf. Friedrich
1) Unruhe im Allerheiligenstift
Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv
Im März 1523 brachte eine Aufforderung Martin Luthers neue Unruhe in das durch den reformatorischen Umbruch ohnehin schon erschütterte Wittenberger Allerheiligenstift. Luther ermahnte die Stiftsherren, einen gemeinsamen Beschluss zur Abschaffung der Messen zu fassen. Ihm schloss sich der Propst des Stiftes Justus Jonas an, welcher die Forderungen Luthers dem Kapitel vortrug und in einer Predigt die liturgischen Gesänge, Seelämter und andere Stiftungen verdammte. Bereits in den Jahren 1521 und 1522 war es in Wittenberg zu heftigen Diskussionen über das Messehalten nach römischem Gebrauch und zu Änderungen der Messe bei den Augustinereremiten und in der Stadtpfarrkirche gekommen. Alle diese Diskussionen und Auseinandersetzungen gingen an Kurfürst Friedrich nicht spurlos vorüber, wie sich in dem hier vorgestellten Schreiben des Kurfürsten an Hieronymus Schurff und Johann Schwertfeger vom 29. Juni 1523 zeigt. Anlass des Schreibens war die Neubesetzung von drei im Laufe des Jahres freigewordenen Präbenden mit neuen Stiftsherren.
Transkription:
[fol. 9r] Von gots gnaden Friderich, hertzog zu Sachssen unnd churfurst etc.
Hochgelarten lieben getreuen unnd rete, wir schreiben itzt den andern unnsern reten unnd euch hirbey von wegen der zwaier prebendn und scolastrie, so itzt in unnserm stifft zu Witenberg vaciren, darzu uns dy vom capitl und universitet drey personen, dieselbn zu presentiren, ernennt, wie ir daraus neben den andern retten vernemen werdt. Unnd wellen euch gnediger meynung nit bergen, das wir bey unns nit wol entschliessen konnen, was darynnen zutun, dan ir wist, das man itzt fur[derlich] predigt unnd lernet, das dy meß nichts sein sol. Soltn wir dan die drey personen, dy uns itzt nominiret, presenti[ren], so wolt villeicht gesagt werdn, wir wusten, das dy meß nichts wer und gebn doch ursach darzu, das dieselbn musten briester werdn, wiewol dy andern, so itzt ufm stifft sein, als wir bericht, den merern tail auch nit mess lesen. So woltn wir auch nit gern, das in unser stiftkirchn dardurch [no]ch zur zeit, weil ir wist, das diese und andere sachn uf das zukunftig concilium zuhandln vorgenomen solt, ain zuruttung gemacht werdn. Derhalbn wir in unser gewissen etwas beschwerung tragn. Und [fol. 9v] weil euch dy ernantn drey personen bekannt, ir auch sonder zweivel bey der wal gewest, begern wir, ir wollet mit den andern unsrn retten, auch fur euch selbs, mit vleis bewegn, was euers vermeinens in dem gut zutun sey, dan wir habn dem capitel und universitet geschriben, das wir in weiter an[twort] gebn wolten. Daran erzaigt ir uns zugefallen. Datum Lochau, am tag Petri und Pauli anno etc. XXIII.
[fol. 13v] Anno 23. An doctor Jheronimus und Schwertfeger, etlicher prebenden halbn, so das capitl und universitet zu Witenberg zu canoniken nominirt.
Standort:
Landesarchiv Thüringen - Hauptstaatsarchiv Weimar, Ernestinisches Gesamtarchiv, Reg. O 196, fol. 9rv+13v (Konzept, beschädigt mit Textverlust)
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Kf. Friedrich an Hieronymus [Schurff] und [Johann] Schwertfeger